Das Zandersareal
Bergisch Gladbach ist eine Kleinstadt im Speckgürtel von Köln. Die Stadt hat in den vergangenen Jahrzenten eine Vielzahl von Veränderungen, Verformungen und Erweiterungen erfahren, die sie beinahe bis zur Unkenntlichkeit entstellt haben. Industrien haben sich wie Geschwüre bis in die Innenstadt gefressen und prägen die Struktur in ihren Groß-Maßstäben bis heute.
Viele dieser Industrien sind jedoch in der Zwischenzeit zugrunde gegangen und hinterlassen so noch mehr Tristesse und Leere. Einer der größten und die Reststadt am meisten bedrängende Areale ist die ehemalige Zanders Papierfabrik. Der Entwurf beschäftigt sich mit diesem Quartier und seinen unmittelbaren Rändern, insbesondere in der Annäherung zur historischen Mitte der Stadt. Der Entwurf versucht, der Stadt Bergisch Gladbach auf der Basis dessen, was aus ihrer Geschichte in Form von Spuren in der Stadt überdauert hat, eine neue Identität zu geben die nicht aus der Beliebigkeit erwächst, sondern anhand von historischen Schichten neu entwickelt wurde.
Dabei soll das Miteinander von Arbeit, Wohnen, Kultur und Bildung, die ja auch bisher in dieser Stadt eng miteinander verknüpft waren, neu interpretiert und stadträumlich in eine urbane, zusammenhängende Form geführt werden. Hierbei wird es sicherlich auch um neue Formen der Produktion, der Arbeit und des Wohnens gehen.
Die „Stadtflucht“ beziehungsweise Suburbanisierung ist ein Phänomen, welches dieAbwanderung von der Stadt ins Land umfasst, womit sich die Bevölkerung und die Arbeitsplätze von der Stadt in ihr suburbanes Umland verlagern. Diese Bewegung trat bezogen auf die Historie Deutschlands in mehreren Phasen auf. Infolge des Auftretens von Missständen durch den Verstädterungsprozess der Industrialisierung Ende des 19. Jahrhunderts kam es zu einer Stadtflucht. Die Stadtflucht und die damit einhergehende „Sehnsucht nach Land“ spiegelte sich vorallen in der Epoche der Romantik Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts wider. Die Industrialisierung in Deutschland, welche Mitte des 19. Jahrhunderts begann, verursachte eine „Landflucht“, wobei die Menschen durch das Aufkommen von Arbeitsplätzen zunehmend in die expandierenden Städte umgezogen sind. Auf die sich in Folge der hohen Nachfrage ergebenden Missstände wurde durch politische Implikationen und bürgerliche Sozialreformer reagiert. Dazu zählte auch die Gartenstadtbewegung von Ebenezer Howard. Damit setzte die Stadtflucht an, die sich unter anderem auch im 21. Jahrhundert ausbildet. Das Phänomen der Stadtflucht ergibt damit sich auch im heute. Die Ursachen für die Stadtflucht sind vielfältig und hängen unter anderem mit den Folgen der zuvor auftretenden Landflucht zusammen. Auf die Verstädterung und das damit zusammenhängende hohe Ausmaß an Umzügen in die Städte konnte nicht gut reagiert werden, wobei sich eine Umschichtung der Sozialstruktur ergab und die Großstädte an Attraktivität verloren haben. Die Stadtflucht hängt unter anderem mit den Neuerungen der Infrastruktur und der Tendenz zur sozialräumlichen Segregation zusammen, welche die Trennung der sozialen Schichten in Form von verschiedenen Wohnorten widerspiegelt. Menschen ziehen aufgrund der hohen Kosten für Wohnraum und den anwachsenden Raumansprüchen zunehmend in ländlichere Regionen. Das abnehmende Bauland und die ansteigenden Bodenpreise verursachen eine Expansion des suburbanen Raums. Ein weiterer Grund für die Stadtflucht stellt der Ausbau des Verkehrs dar, wobei das steigende Verkehrsaufkommen und die zunehmende Umweltbelastung das Wohnen in der Großstadt beeinträchtigt. Zudem könnte die Bewegung mit der Sehnsucht nach Natur und Ruhe in ländliche Regionen zusammenhängen, da diese im Vergleich zu dem Leben in der Stadt auf den Menschen erholsam wirken.
Aufgrund der aktuell stattfindenden Stadtflucht erscheint diese Thematik auch bei der Neuplanung des Zanders-Areals in Bergisch Gladbach relevant. Die Zanders Papierfabrik in Bergisch Gladbach wurde im 19. Jahrhundert gegründet. Bergisch Gladbach gehört zu den ältesten Städten im Rheinland, und ist für seine Natur und Kulturlandschaft bekannt. Zudem lässt sich bezüglich der Wirtschaft anführen, dass die Stadt von Handel, Handwerk und Unternehmen geprägt ist. Aufgrund seiner guten Verkehrsanbindung an die umliegenden Städte wie Köln und Düsseldorf, seiner gut ausgebauten Infrastruktur insbesondere hinsichtlich der Bildungsinfrastruktur und einer ruhigen und grünen Umgebung ist Bergisch Gladbach eine beliebte Stadt zum Wohnen.
Bergisch Gladbach stellt somit für viele Menschen eine attraktive Stadt mit Lebensqualität dar, wodurch die Neuplanung des Zanders-Areals mit einer Fläche von 37 ha ein großes Potenzial dafür darstellt, die Vorteile der Region weiter auszubauen und hervorzuheben. Dabei wurde in der vorliegenden Neuplanung des Zanders-Areals auf Grundlage von historischen Gegebenheiten versucht den Genius Loci aufrechtzuerhalten und dabei einen großen Grünzug einzuplanen, welcher Aufenthaltsqualitäten gewährleistet. Die Freiraumplanung des neuen Entwurfs lehnt sich dabei an den englischen Landschaftsgarten an, welcher sich im 18. Jahrhundert in England entwickelte.

Links: Gebäude Bestand Zanders Areal | Mitte: Erhaltene Gebäude | Rechts: Entwurf auf dem Zanders Areal

Die Stadt Bergisch Gladbach setzt sich aus unterschiedlichen Gemeinden und Stadtteilen zusammen, die sich unter anderem durch die Eingemeindung der ehemaligen eigenständigen Gemeinde Bensberg ergibt. Durch die vielfältige Mischung aus den unterschiedlichen Städtebaulichen Strukturen ergründet sich der Charm von Bergisch Gladbach.
Um diese Charaktere zu erhalten, setzt der neue Entwurf für das Zanders Areal nicht auf die Planung eines neuen Stadtteils, sondern auf die Stärkung der verschiedenen Stadtteile und das Expandieren der Charaktere auf die neuergründete Fläche. Das innerstädtische Zentrum von Bergisch Gladbach wird dabei nachverdichtet und behält seine Funktionen. Andere Bereiche werden in ihren Typologien ergänzt. Nur so kann die Qualität der Stadt erhalten bleiben. Während des Entwurfsprozesses wurde berücksichtigt, dass sich eine „Verzahnung“ mit der Umgebung ergibt. In diesem Zusammenhang wurde im südlichen Bereich des Entwurfsareals die kleinteiligere Struktur der Umgebung aufgenommen. Dabei wurde um die Gartenstadt eine Einfamilienhaus-Siedlung entwickelt, und angelehnt an die Umgebung im südöstlichen Bereich größere und höhere Wohnblöcke geplant. Diese werden angrenzend an die Grünfläche mit niedrigeren Geschossigkeiten versehen. Im westlichen und nördlichen Planungsareal wurden geschlossene Blöcke geplant, die eine Mischnutzung umfassen sollen. Damit sollen durch die jeweiligen städtebaulichen Strukturen verschiedene Charaktere gewahrt werden.

Lageplan 

Schnitt durch die Grünfläche

Schnitt durch die Bebauung

Grünflächen um und in Bergisch Gladbach

Schwarzplan

Eine preußische Uraufnahme aus dem Jahre 1844 stellt die gesonderte Lage der Papierfabrik Zanders heraus. Der historischen Karte lässt sich außerdem ein Zedernwald inmitten einer Auenlandschaft entnehmen, welche namensgebend für den Stadtteil Gronau ist, und aus Grüne Aue abgeleitet wird. Diese Aue soll im Entwurf rekultiviert werden. Zudem wird der ursprüngliche Verlauf der Strunde wiederhergestellt, wofür die Topografie auf Höhe der Strunde abgesenkt wird. Außerdem wurden einige Bestandsgebäude erhalten, welche als Staffage Architekturen zum einen zur Ausschmückung der Landschaft dienen, dabei die Historie des Areals aufrechterhalten, und zum anderen durch neue Nutzungen beherbergt werden. Dazu zählen unter anderen ein Gemeindezentrum mit Gastronomie, ein Museum und ein Gewächshaus. Durch die Erhaltung von ausgewählten Gebäuden und die Absenkung der Topografie auf die Höhe der Strunde ergeben sich auf natürliche Weise eine Hügellandschaft. Auch zusätzliche neue Bauten wurden in das grüne Areal eingegliedert, wie Studiolos und ein Café. Bei der Grünflächenplanung wurden auch in der Nähe des geplanten Jugendzentrums Sportplätze und Liege-/Freizeitwiesen berücksichtigt. Zudem wurde ein japanischer Teegarten eingegliedert, um die Aufenthaltsqualität weiter auszudehnen und ein facettenreicheres Angebot von Gartengestaltung zu bieten.

Grünflächenplanung

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